Studienglossar

Absolute Risikoreduktion (ARR)
ist die absolute Differenz der Rate an ungünstigen Ereignissen in der Verum Gruppe (E) zur Kontrollgruppe (K), wenn die untersuchte Behandlung wirkt (ARR = K – E).

Absolute Risikozunahme  (ARI, absolute risk increase)
Analog zu ARR: ist die absolute Differenz der Rate an ungünstigen Ereignissen in der Verum Gruppe (E) verglichen zur Kontrollgruppe (K), wenn die Verum Behandlung schlechter ist (ARI = Absolutwert K – E).

Attrition
Drop out, Teilnehmerausfall, loss to follow up,
Der Verlust von Teilnehmern während der Studiendurchführung, aus welchen Gründen auch immer. 

Bias (systematischer Fehler)
Bias bewirkt entweder eine Über- oder Unterschätzung der wahren Wirkung oder Exposition. Die Ursachen für Bias liegen typischerweise im Design der Studie. Beispiele sind die Auswahl der Teilnehmer (Selektionsbias), die Erhebung der Endpunkte (Messungsbias) oder der Verlust von Teilnehmern in der Studie (attrition bias wenn nur Teilnehmer wiederkommen, die eine Wirkung spüren). Je geringer der vermutetet Bias, umso valider die Studie.

Confounding
Confounding liegt vor, wenn ein Faktor (Confounder), der nicht direkt Gegenstand der Untersuchung ist, die Studienergebnisse beeinflusst. Häufige Confounder sind z.B. Alter oder Geschlecht. Man kann Confounding durch Randomisierung oder so genannter Stratifizierung, oder multivariate Analyse gering halten.

CONSORT/PRISMA
engl. Consolidated Standards Of Reporting Trials. Empfehlungen zur Berichterstellung randomisierter klinischer Studien. Von führenden Zeitschriften als verbindliche Vorgabe angenommen.

Cross-over-Design
Studiendesign: Dabei erhält z.B. die eine Gruppe zunächst Therapie A, dann Therapie B, die andere Gruppe zuerst Therapie B und dann Therapie A. Dauert länger, braucht aber weniger Teilnehmer. Ist eine Möglichkeit, Selection Bias auszuschalten, weil ja jeder Teilnehmer die eigene Kontrolle liefert. 

Diskrete Variablen
Diskrete Variablen weisen im Gegensatz zu kontinuierlichen Variablen nur eine begrenzte Zahl von Möglichkeiten auf (z.B. Augenfarbe: blau, grau, braun, grün).
Eine Sonderform sind dichotome Variablen, die lediglich zwei Alternativen aufweisen, z.B. Raucher / Nichtraucher, lebend oder tot, Test-positiv oder Test-negativ.

Dichotome Variable, s. diskrete Variable

Effectiveness (Wirksamkeit unter Alltagsbedingungen)
Im Gegensatz zur Efficacy („Wirksamkeit unter Studienbedingungen“) beschreibt der Ausdruck Effectiveness, wie die Maßnahme in der alltäglichen Praxis wirkt.

Efficacy (Wirksamkeit unter Studien-Ideal-Bedingungen)
Beschreibt die Wirksamkeit einer Maßnahme unter Idealbedingungen. Efficacy-Studien zeichnen sich durch hohe innere Validität aus, die Ergebnisse sind jedoch möglicherweise nur bedingt auf die Routineversorgung übertragbar.

Evidenz
Der Begriff „Evidenz“ im Kontext der Evidenzbasierten Medizin leitet sich vom englischen Wort „evidence“=augenscheinlich ab. Wird meist in der Bedeutung von „belegt“ verwendet, als Gegenteil von Meinung, Ansicht, etc.

Evidenz-basierte Medizin (Evidence-Based Medicine, EbM)
Evidenz-basierte Medizin (EbM) beschreibt eine Vorgehensweise bei medizinischer Entscheidungsfindung. Es geht darum, individuelle Patienten auf der Basis der besten zur Verfügung stehenden, belegten Daten zu diagnostizieren und behandeln. Aspekte, wo Evidenz eine Rolle spielt:

  • Validität von Publikationen
  • die Effekt-Größe
  • Anwendbarkeit der Information auf den konkreten Patienten, unter Zuhilfenahme der eigenen klinischen Erfahrung und Berücksichtigung der Patienten-Wünsche.
  • Entscheidungen zur Steuerung des Gesundheitssystems.

Handsuche
Suche nach relevanter Literatur durch Besuche in Bibliotheken. Nicht alles ist in elektronischen Datenbanken (z.B. Medline) enthalten. Insbesondere geht es um Zeitschriften, die nicht von elektronischen Datenbanken erfasst werden. 

Heterogenität / Homogenität
In systematischen Reviews bezeichnet Homogenität (Heterogenität), inwieweit die in den eingeschlossenen Studien gefundenen Effekte ähnlich (homogen) oder verschieden (heterogen) sind. Die Durchführung einer Meta-Analyse aus heterogenen Studien ist problematisch.

ITT Intention-To-Treat-Analyse
Analyse-Technik, bei der die Patienten analysiert werden, wie zur Gruppe zugeteilt, unabhängig davon, ob sie die zugeordnete (intendierte) Therapieform erhalten haben oder nicht. Wenn viele Patienten die Studie wegen Wirkungslosigkeit der Behandlung verlassen, und wenn man nur die gebliebenen Patienten auswertet, verhindert man damit, dass diese Wirkungslosigkeit in der Auswertung nicht berücksichtigt wird. Bei einer Dropout-Rate von 50% ist auf Basis einer ITT Analyse die Behandlung als wirkungslos einzustufen, selbst wenn von den verbliebenen Patienten 80% eine positive Wirkung beschreiben.

Inzidenz
Die Inzidenz beschreibt die in einem bestimmten Zeitraum neu aufgetretene Anzahl an Krankheitsfällen in der Population, typischerweise als Neuerkrankungen in 100.000 Einwohnern ausgedrückt .

Klinische Studie
Begriff für eine medizinische Studie, in der eine Behandlung an Patienten geprüft wird. Eine Studien kann je nach Möglichkeit unterschiedliche Eigenschaften haben, z.B. rückblickend, vorausschauend,  kontrolliert (2 oder mehr Gruppen), randomisierter Einschluss, etc.

Kohortenstudie
Beobachtungsstudie, in der die Teilnehmer zwei oder mehr Gruppen (Kohorten) zugeteilt wurden. Es geht darum, Unterschiede zwischen den Gruppen festzustellen (z.B. exponiert, nicht exponiert). Kohortenstudien sind entweder prospektiv oder retrospektiv möglich.

Konfidenzintervall (Vertrauensbereich)        
Statistisch berechneter Bereich, in dem mit angegebener Wahrscheinlichkeit der „wahre“ Wert eines Effektes liegt (z.B. 95%-Konfidenzintervall). Je mehr Teilnehmer in die Analyse eingeschlossenen waren, desto präziser kann das Konfidenzintervall angegeben werden.

Kontinuierliche Variablen
Im Gegensatz zu diskreten Variablen können kontinuierliche Variablen theoretisch eine unendlich große Zahl von Werten entlang eines Kontinuums annehmen. Körpergröße, Gewicht und viele Laborwerte sind kontinuierliche Variablen.

Meta-Analyse
Statistisches Verfahren, um die Ergebnisse mehrerer Studien, die die gleiche Frage bearbeiten, quantitativ zu einem Gesamtergebnis zusammenzufassen und dadurch die Aussagekraft gegenüber Einzelstudien zu erhöhen.

Nullhypothese
Bei der Durchführung statistischer Signifikanztests wird üblicherweise die Hypothese aufgestellt, dass zwischen den verschiedenen Gruppen einer Studie kein Unterschied (Nullhypothese) besteht. Aus statistischer Sicht ist eine Maßnahme wirksam, wenn man durch den statistischen Test die Nullhypothese (kein Unterschied) mit einer Irrtumswarscheilichkeit von beispielsweise p<0,05 verwerfen kann. (s.a. statistische Signifikanz)

Number Needed to Treat (NNT)
Maßzahl, um die Auswirkung einer Behandlung zu beschreiben. Gibt die Anzahl an Patienten wieder, die behandelt werden müssen, um 1 zusätzliches ungünstiges Ereignis zu verhindern. Die NNT wird als 1/ARR (s. absolute Risikoreduktion) berechnet.

Number Needed to Harm (NNH)
Maßzahl, um die ungünstigen Auswirkungen einer Behandlung zu beschreiben. Gibt die Anzahl an Patienten wieder, bei deren Behandlung mit einem zusätzlichen Fall unerwünschter Ereignisse / einer Komplikation gerechnet werden muss. Die NNH wird als 1/ARI (s. absolute Risikozunahme) berechnet.

Odds (Chance)
Beschreibt in einer Gruppe das Verhältnis zwischen der Anzahl von Teilnehmern mit einem Endpunkt und der Anzahl von Teilnehmern ohne diesen Endpunkt. Wenn also 30 von 100 Teilnehmern das Merkmal haben und 70 nicht, beträgt die Verhältniszahl (Odds) 0.42 (vgl. dazu "Risiko").

Odds Ratio (OR, Chancenverhältnis)
Eine OR von 1 bedeutet, dass zwischen den Vergleichsgruppen kein Unterschied besteht. Bei ungünstigen Endpunkten zeigt eine OR < 1, dass die experimentelle Intervention wirksam ist, um die Odds für das Auftreten dieser ungünstigen Endpunkte zu senken (s. relatives Risiko).

p-Wert
Je kleiner der Wert, desto deutlicher spricht das beobachtete Ergebnis gegen die Nullhypothese (für einen therapeutischen Effekt). Es ist eine Konvention, dass ein p-Wert gleich oder kleiner 0.05 als statistisch signifikant angesehen wird.

Placebo
In einer pragmatischen Definition eine meist zu Studienzwecken eingesetzte "Schein-Behandlung" ohne pharmakologisch aktive Substanz. Das Placebo darf hinsichtlich seiner äußeren Eigenschaften nicht von der aktiven Behandlung (dem Verumpräparat) unterscheidbar sein, wenn es seinen Zweck erfüllen soll.

PICO - Schema
Hilfsschema für die Formulierung einer klinischen Frage zur Wirkung von Interventionen: Patient, Intervention, Vergleichs­intervention (Comparison), Zielgröße (Outcome)

Per Protocol Analyse
Analyse, bei der nur die Personen eingeschlossen werden, die die Studie protokollgemäß abgeschlossen haben (Gegenteil von einer ITT-Analyse).

Power (statistische Trennschärfe)
Die Fähigkeit einer Studie, einen tatsächlich vorhandenen Unterschied statistisch signifikant (s. statistische Signifikanz) nachzuweisen und die Nullhypothese zu verwerfen, wenn sie tatsächlich falsch ist. Da die Power u.a. entscheidend vom Stichprobenumfang abhängt, kann der allgemein übliche Wert von 80% z.B. durch eine ausreichend große Stichprobe sichergestellt werden. Zur Berechnung benötigt man präliminäre Daten aus einer Pilotphase.

Prävalenz
Die Prävalenz beschreibt den Anteil Erkrankter an der Gesamtzahl einer definierten Population zu einem bestimmten Zeitpunkt. 

PRISMA
Preferred Reporting Items for Systematic Reviews and Meta-Analyses. Vorgaben zur Publikation von Meta-Analysen.

Publikationsbias (publication bias)
Systematischer Fehler (Bias) aufgrund einer selektiven Publikationspraxis, bei der Studien mit positiven und signifikanten Ergebnissen eine größere Chance haben publiziert zu werden, als Studien mit negativen und nicht-signifikanten Resultaten. Ein systematischer Review oder eine Meta-Analyse, die sich ausschließlich auf publizierte Studien stützt, läuft Gefahr, den Effekt der untersuchten Intervention zu überschätzen.

Quasi-Randomisierung
Methoden der Studienzuordnung, die zwar nicht randomisiert sind, jedoch mit der Absicht angewandt werden, bei der Teilnehmerzuordnung ähnliche Gruppen zu gewährleisten. Beispiele: Zuordnung nach Geburtsdatum oder Krankenhausidentifikationsnummer, alternierende Zuordnung.

Randomisierte kontrollierte Studie (RCT)
Eine experimentelle Studie, bei der die Patienten nach einem Zufallsverfahren (mit verdeckter Zuordnung) auf die Therapie- bzw. die Kontrollgruppe verteilt (Randomisierung) und auf das Auftreten der festgelegten Endpunkte in den einzelnen Gruppen nachbeobachtet werden.

Randomisierung
Verfahren, das eine zufällige Verteilung der Patienten auf eine Therapie- und eine Kontrollgruppe bewirkt (s. randomisierte kontrollierte Studie). Dies kann durch (computergenerierte) Zufallszahlen oder andere Mechanismen erreicht werden. Damit soll sichergestellt werden, dass alle Teilnehmer die gleiche Chance haben, der einen oder anderen Gruppe zugeordnet zu werden. Die Randomisierung ist das entscheidende Instrument zur Verhinderung einer Selektionsbias und damit eines der wichtigsten Mittel zur Sicherung der internen Validität einer klinisch kontrollierten Studie.  

Relative Risikoreduktion (RRR)
Effektmaß für dichotome Variablen. Die relative Senkung der Rate an ungünstigen Ereignissen in der experimentellen Gruppe (E) einer Studie im Vergleich zur Kontrollgruppe. Sie wird wie folgt berechnet: (s. absolute Risikoreduktion). Beispiel: Das Risiko für eine gastro-intestinale Blutung auf einer Intensivstation beträgt ohne Behandlung (Kontrollgruppe) 10% oder 0.10, bei Prophylaxe mit H2–Blockern (E) 7% oder 0.07: Die RRR beträgt = 0.3 oder 30%

Relatives Risiko (RR)
Das relative Risiko in einer Therapiestudie bezeichnet das Verhältnis zwischen dem Risiko in der experimentellen Gruppe und dem Risiko in der Kontrollgruppe. Ein relatives Risiko von 1 bedeutet, dass zwischen den Vergleichsgruppen kein Unterschied besteht.

Risiko (Rate, Ereignisrate)
Der Anteil von Personen in einer Gruppe, bei denen ein bestimmter Endpunkt auftritt. Wenn z.B. in einer Gruppe von 100 Personen 30 einen bestimmten Endpunkt entwickeln (und bei 70 Personen das Ereignis nicht auftritt), ist das Risiko (oder die Ereignisrate) 0.3 oder 30% (s. Odds).

Standardabweichung
Maß für die Streuung von Messwerten um den Durchschnittswert.

Statistische Signifikanz
Ein statistisch signifikantes Ergebnis einer Studie ist ein Ergebnis, das gegen die Nullhypothese spricht (beide Gruppen sind gleich = wirkungslose Therapie).

Surrogatendpunkte (intermediäre Endpunkte)
Endpunkte, die selbst nicht von unmittelbarer Bedeutung für die Patienten sind, aber stellvertretend für wichtige Endpunkte stehen können (z.B. Blutdruck als Risikofaktor für Schlaganfall). Surrogatendpunkte sind oft physiologische oder biochemische Marker, die relativ schnell und einfach gemessen werden können und denen eine Vorhersagefunktion für spätere Ereignisse zugemessen wird. Für viele Surrogatendpunkte ist eine zuverlässige Vorhersage auf ein späteres Ereignis nicht nachgewiesen. In der Präventionsmedizin muss man häufig mit Surrogatendpunkten arbeiten.

Systematischer Fehler s. Bias

Systematischer Review (Synonym: Systematische Übersicht)
Sekundärforschung, bei der zu einer klar formulierten Frage alle verfügbaren Primärstudien systematisch und nach expliziten Methoden identifiziert, ausgewählt und kritisch bewertet und die Ergebnisse extrahiert und deskriptiv oder mit statistischen Methoden quantitativ (Meta-Analyse) zusammengefasst werden. Vorstufe einer Metalanlyse.

Übertragbarkeit
Beschreibt die Übertragbarkeit von Studienergebnissen auf die Patienten in der Routineversorgung, d.h. auf Patienten, die nicht an der Studie teilgenommen haben (s.a. Validität).

Validität (Glaubwürdigkeit)
Validität bezeichnet das Ausmaß, mit dem die Studienergebnisse frei von systematischen Fehlern (Bias) sind, also die „wahren“ Effekte einer Intervention / Exposition reflektieren. Die Validität beruht auf der Integrität des Studiendesigns und ist in der Medizin eine Voraussetzung für die Anwendbarkeit der Studienergebnisse in der Routineversorgung.

Verblindung
Geheimhaltung der Gruppenzuordnung (Therapie oder Kontrolle) vor Patienten, Studienärzten, Pflegepersonal oder Auswertern, die an einer Studie teilnehmen. Damit soll verhindert werden, dass durch das Wissen um die Gruppenzugehörigkeit die Therapieantwort der Patienten, das Verhalten der Ärzte oder die Bewertung der Ergebnisse beeinflusst wird. In einfach-blinden Studien wissen nur die Patienten nicht über ihre Zuordnung Bescheid, in doppel-blinden Studien bleibt die Zuordnung Patient und behandelndem Arzt verborgen. Die Verblindung von Ärzten und Patienten ist nicht immer durchführbar (z.B. beim Vergleich von chirurgischen mit medikamentösen Verfahren), wobei eine Verblindung der Endpunkt-Auswerter in der Regel möglich ist (s.a. Bias).

Verdeckte Zuordnung (concealment of allocation)
Methodisches Verfahren zum Schutz vor Selektionsbias. Geheimhaltung der randomisierten Zuteilungsfolge zu Therapie- oder Kontrollgruppe bis zum Zeitpunkt des Studieneinschlusses und der Zuordnung des Patienten zu einer Studiengruppe (s.a. Bias).